Die 1974 geborene Linzer Künstlerin Margit M.
Greinöcker konnte die Jury von ihren Arbeiten, vor allem mit ihrem
Projekt „Kopftücher - in ‚traditionell‘ österreichischer Bekleidung
unterwegs im Stadtteil Fatih in Istanbul“ überzeugen. Wie der Titel
bereits vermittelt, begab sich die Linzerin mit Dirndl und Kopftuch nach
Istanbul und dort in den konservativ-religiös geprägten Stadtteil Fatih
und beobachtete und dokumentierte dabei die Reaktionen der örtlichen
Bevölkerung. Das Ergebnis ist eine Untersuchung in zwei
Bildgeschwindigkeiten, Video und Stills.
Margit M. Greinöcker arbeitet an der Schnittstelle
Architektur & Kunst und untersucht mit ironischem Blick die gebaute
und gelebte Umwelt mit den Medien Video/Audio/Foto/Modell.
Kopftücher
M. Greinöcker (Kamera: T. Hagleitner), Istanbul 2010, Video/Videostills
In „traditionell“ österreichischer Bekleidung unterwegs im Stadtteil Fatih in Istanbul.
In
einer früheren Zeit erzählten Kleider, welchem Stand oder welcher Zunft
wir angehörten – teils unumstößlich. 2013, im Zeitalter des textilen
Überflusses, sind die Schränke gefüllt mit tausend tollen Sachen. Doch
bei aller Freiheit der Kleiderwahl erzählen die Hüllen dennoch über
unsere Zugehörigkeit oder Herkunft. Bei den Leuten auf der Straße, im
Menschengetümmel, kategorisieren wir anhand der Kleidung: Wir lesen, wer
die Menschen sind mit all ihren unterschiedlichen Konzepten und Normen
vom Leben oder von sich selbst. Sie Kleider zeigen religiöse, manchmal
auch politische Haltungen, sie machen eine zeitliche oder geografische
Zuordnung ihrer TrägerInnen möglich, sie unterstreichen Charakterzüge
oder Eigenarten und: sie sind zumeist geschlechtsspezifisch. Je nach
Kontext bewirken sie gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung oder
aber Desinteresse oder gar Verachtung. Meine Großmutter trug immer
Kopftuch. Ich nicht. Als ein Überbleibsel dieser
bäuerlich-traditionellen Kleidungskultur ist aber ein Dirndl mit
passendem Kopftuch in meinen Besitz übergegangen. Wenn ich es zuhause
schon nicht anziehe (nicht zuletzt aus oben genannten Gründen), dann
könnte ich es wenigstens in der Ferne einmal ausführen, dachte ich, und
packte die Sachen kurzerhand in den Koffer für eine Reise nach Istanbul.
So fand ich mich im traditionell-österreichischen Gewand in Fatih
wieder, einem eher konservativ-religiös geprägten Stadtteil Istanbuls,
und war neugierig, was wohl passieren würde... Das Ergebnis ist eine
Untersuchung in zwei Bildgeschwindigkeiten, Video und Stills.
Begründung der Jury
Im Rahmen der Jurysitzung am 8. Mai 2013 im afo -
architekturforum oberösterreich konnten wir einen einstimmigen Beschluss
fassen, der von den Fachjurorinnen Medienkünstlerin Prof.in Dr.in h.c.
VALIE EXPORT, Univ. Prof.in Dipl.-Ing. Dr.in Sabine Pollak,
Bürgermeisterin Ulrike Böker sowie der Rektorin der Akademie der
bildenden Künste Mag.a Eva Blimlinger wie folgt begründet wurde:
„Unabhängig welches künstlerische Medium
Greinöcker wählt, ob Performance Installation, Kurzfilm, Video oder
Foto, immer konzentriert sie sich in ihrer
künstlerisch/künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeit darauf, eine Idee,
ein Konzept mit ironischem, manchmal gar spöttischem Blick umzusetzen –
und es ist oft der Blick auf Geschlechterungerechtigkeiten. Margit M. Greinöcker bezieht sich in ihren Arbeiten auf gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse
und exponiert diese im öffentlichen Raum mit Audio- und Videoarbeiten,
mit Interventionen und Installationen, Performances und Aktionen und
entwickelte damit ihre interdisziplinäre Zugangsweise zwischen
Architektur, bildender- und Medienkunst, zwischen wissenschaftlichen und
künstlerischen Vorgangsweisen, zwischen Theorie und Praxis. Immer
wieder sucht sie die Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und bezieht bei
Performances die PassantInnen wie zum Beispiel in „Studie zur Magie der
Seifenblasen“ in ihre Präsenz gleichberechtigt ein.
In der Arbeit Kopftücher (Kamera: Tobias
Hagleitner, Istanbul 2010, Video/Videostills) - in „traditionell“
österreichischer Bekleidung unterwegs im Stadtteil Fatih in Istanbul -
gelingt es der Künstlerin die politische Diskussion über das Tragen von
Kopftüchern von muslimischen Frauen in eine ästhetische Umkehrung zu
fassen. Sie begibt sich mit Dirndl und Kopftuch nach Istanbul und dort
in den konservativ-religiös geprägten Stadtteil Fatih. Das Ergebnis ist
eine Untersuchung in zwei Bildgeschwindigkeiten, Video und Stills, die
all die Fragen und Vorurteile mit paradoxer – regionaler/internationaler
– Intervention neu stellt, ohne das Antworten erforderlich sind.
In überzeugender und bestechender Weise gelingt
es Margit M. Greinöcker feministische Themen künstlerisch zu
transformieren und dabei Irritationen im Schauen und Urteilen zu
generieren.“
Margit Greinöcker
...geboren in Grieskirchen und viele Jahre in
Kleinstroheim verbracht, später Ausbildung zur Technischen
Zeichnerin/Maschinenbau. Nach einem kleinen Umweg, der nach Mexiko
führte, Umzug nach Linz um das Architekturstudium an der
Kunstuniversität Linz zu absolvieren. Seither liegt der Schwerpunkt der
künstlerischen Arbeit an der Schnittstelle Kunst und Architektur.
Erforscht werden die gebaute und gelebte Umwelt.